Der Bau ist Sachsens gefährlichste Branche
Von Katlen Trautmann
Viele Arbeitnehmer vernachlässigen aus Sorge um den Job zunehmend den Unfallschutz.
Dresden. Stolpern, stürzen, abstürzen: Mehr als jeder dritte tödliche oder schwere Arbeitsunfall in Sachsen passierte im vergangenen Jahr am Bau. Die Branche ist damit die gefährlichste im Freistaat. Die Zahl ernster Unfälle insgesamt steigt nach Angaben des Wirtschaftsministerium seit vier Jahren.
Zwei Ursachen sieht Professor Jörg Tannenhauer vom Wirtschaftsministerium: Einerseits setzen immer mehr Firmen Leiharbeiter ein. Zum anderen nehmen fest Angestellte aus Sorge um den Job den Arbeitsschutz weniger genau, sagte der Arbeitsschutzexperte gestern am Rande einer Tagung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Sachsen hatte Betriebsräte und Arbeitsschutzfachleute ins Dresdner Gewerkschaftshaus geladen.
Zeitarbeiter tragen ein hohes Unfallrisiko, hieß es: „Bei durchschnittlich drei Monaten Beschäftigungszeit im Betrieb ist die Einarbeitungszeit zu kurz, und es fehlt an Erfahrungen bei der konkreten Tätigkeit“, begründete Tannenhauer. Leiharbeitsfirmen zählen zum Dienstleistungsgewerbe. Dort stieg die Zahl gravierender Arbeitsunfälle im Branchenvergleich 2006 am deutlichsten: um fünf Prozent.
Der Blick auf den Arbeitsmarkt lässt auch Beschäftigte mit Dauervertrag fehlende Schutzkleidung, Absperrungen oder Schulungen oft hinnehmen. „Aus Dankbarkeit über die Stelle schauen sie über gefährliche Arbeitsbedingungen hinweg“, bilanziert der Professor. Menschliches Versagen ist Ursache von 83Prozent aller Unfälle.
Ein weitmaschiges Netz von Kontrollen durch die öffentliche Hand begünstigt Liederlichkeiten. Bei 10000 Betriebskontrollen jährlich braucht die Gewerbeaufsicht 15Jahre, um jeden Betrieb aufzusuchen. Die Zahl der Stellen bei der Behörde sank von 320 im Jahr 1991 auf derzeit 190. Ein EU-Bericht zum Arbeitsschutz kritisierte unlängst, Deutschland setze auf Beratungen und zu wenig auf Sanktionen.
Viele Unternehmen sind aber für Arbeitsschutz bereits sensibilisiert. Die Wepa-Papierfabrik Sachsen GmbH in Kriebstein nutzt erfolgreich ein neues System beim Unfallschutz. „Seit Belehrungen nach Feierabend stattfinden, haben sich die Unfallzahlen bei uns halbiert“, sagte Betriebsratschef Gunter Beulich. Seit Jahresbeginn müssen Mitarbeiter zudem einen Kurs am Computer absolvieren.
In der Gläsernen Manufaktur Dresden ist die Arbeit weitgehend sicher organisiert. „An vielen Montageplätzen lassen sich die Fahrzeuge in die ergonomisch günstigste und für den Arbeiter sicherste Position heben“, sagte Sprecher Alexander Skibbe. 30 Partner haben sich zur Allianz für Arbeitsschutz Sachsen zusammengeschlossen: Kammern, Unternehmerverbände, Unfallschutzträger. Die Zahl aller Arbeitsunfälle sinkt in Sachsen seit Jahren und liegt mit 26 pro 1000 Beschäftigte unter Bundesschnitt.