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Ärztezeitung, 31. März 2008

"Mir graut vor dem Arzt als Todesengel!"

Sachsens Kammerchef Schulze lehnt bei Diskussion in Dresden aktive Sterbehilfe ab. Referenten äußern Zweifel am Sinn von Patientenverfügungen

DRESDEN. Ärzte sollten sich beim Umgang mit Menschen, die freiwillig aus dem Leben scheiden wollen, immer ihre Pflicht zum Lebenserhalt bewusst machen. Das haben Juristen, Theologen und ein Kammervertreter bei einem Diskussionsabend klargestellt, zu dem die Sächsische Landesärztekammer und das Deutsche Hygiene-Museum Dresden eingeladen hatten.

Von Katlen Trautmann
"Lizenz zum Töten? - Ärzte zwischen Sterbebegleitung und Tod auf Verlangen" - das war das Thema der Veranstaltung. Die Kernbotschaft: Medizinern drohen unter Umständen deutliche juristische und berufsrechtliche Konsequenzen, wenn sie Menschen beim Suizid helfen.
Der Präsident der Landesärztekammer Sachsen, Professor Jan Schulze, stellte unmissverständlich die Position der Bundesärztekammer klar. "Wir lehnen die aktive Sterbehilfe ab", sagte Schulze, dem vor dem "Arzt als Todesengel" graut .
Eine Pflicht des Arztes oder des Staates zur Sterbehilfe gebe es schon gar nicht, unterstrich Sachsens Justizminister Geert Mackenroth. "Jeder Arzt kann eine solche Bitte ablehnen, wenn sie an ihn heran getragen wird", führte der Jurist aus. Es gebe ein juristisches Recht auf Leben, aber keins auf Sterben. Der Berufsstand der Ärzte verdient nach Ansicht des evangelisch-lutherischen Landesbischofs Jochen Bohl Vertrauen. "Der Arzt kann diese Fragen mit seinem Gewissen ausmachen. Das gab es immer schon", sagte Bohl.
Professor Hartmut Kreß von der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn wünscht sich dagegen mehr Aktivität des Gesetzgebers und verwies auf eine Gesetzeslücke. Suizid als solcher ist straffrei und die Beihilfe, wenn zweifelsfrei nachgewiesen, auch, sagte er. Rein theoretisch dürfe ein Arzt dem Patienten ein tödlich wirksames Medikament übergeben, so Kreß. Bei Einnahme des Mittels greife aber die Garantenstellung des Arztes. "Er muss den Patienten sofort wieder ins Leben zurück holen", sagte Kreß, der Professor für Systematische Theologie ist.
Kammerpräsident Schulze drückte es drastisch aus. "Wenn der Arzt den Schierlingsbecher hinstellt, bleibt und nicht hilft, ist er dran", sagte er. Berufs- und strafrechtliche Konsequenzen könnten von Geldbußen bis hin zum Entzug der Zulassung reichen.
Rein theoretisch müsste ein Arzt im Fall des Falles das Mittel übergeben und den Patienten sofort allein lassen, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Justizminister Mackenroth begrüßte bei der Veranstaltung ausdrücklich das Verbot kommerzieller Sterbehilfe in Deutschland. Er warnte Ärzte und medizinisches Personal vor solchen "gewerblichen Aktivitäten".
Die Philosophin Svenja Flaßpöhler verwies auf Nöte unheilbar Kranker bei verweigerter Sterbehilfe. Im vergangenen Jahr hat sie ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht. "Wann ist bei Schwerkranken die Grenze zur Gewaltanwendung erreicht?", fragte Flaßpöhler.
Der Sinn von Patientenverfügungen wurde bei der Veranstaltung bezweifelt. Wenn vorhanden, seien diese Verfügungen oft mehrdeutig, hieß es. Zur Erinnerung: Im Deutschen Bundestag wird seit einem Jahr über ein Gesetz zu Patientenverfügungen diskutiert, bisher zeichnet sich aber nicht ab, dass einer der diskutierten Gesetzentwürfe mehrheitsfähig ist.
"Besser keine Patientenverfügung als eine unklare. Wir Ärzte sind extrem froh, wenn wir erkennen, dass der Wille des Patienten in eine Richtung geht", sagte Professor Hans-Willi M. Breuer vom Malteser Krankenhaus St. Carolus Görlitz bei der Veranstaltung in Dresden.
"Selbst wenn jemand mit einem Schild um den Hals ,Ich möchte mich umbringen und sterben‘ eingeliefert wird, werden die Ärzte reagieren, weil sie dem Wahrheitsgehalt nicht vertrauen können", erklärte Mackenroth. "Es geht immer erst um Erhalt der Vitalfunktionen. Erst der zweite Blick geht in die Unterlagen", sagte Schulze. Nach Schulzes Ansicht basiert der Sterbenswunsch in den allermeisten Fällen auf mangelnden Lebensperspektiven und in den wenigsten Fällen auf dem Ergebnis einer ausgewogenen Lebensbilanz. Ziel müsse daher sein, "dem Lebenden ein Angebot zu unterbreiten, um den Sterbewunsch in einen Lebenswunsch zu wandeln", sagte der Kammerpräsident.

 

Katlen Trautmann • Tel.: 0351 31 777 81 • Fax: 3222 375 4 357 • Funk: 0171 26 66 354 • Email: katlen.trautmann@t-online.de

 
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