Sächsische Zeitung, 4. Mai 2009
Herr Grupp, warum produzieren Sie noch in Deutschland?
Es gibt für mich keinen Grund im Ausland zu produzieren. Ich habe eine Pflicht als Unternehmer in meinem Heimatland zu erfüllen, und zweitens haben wir hier bestausgebildete Arbeitskräfte, ein Riesen-Know-how und einen wunderbaren Standort. Ich kenne keinen Textilunternehmer, der, als er ausschließlich in Deutschland produzierte und oft ein gestandener Millionär war, durch seine Auslandsproduktion reicher geworden wäre. Aber ich kenne viele, die ärmer geworden oder sogar von der Bildfläche verschwunden sind.
Was machen Sie anders als die anderen?
Schauen Sie, globalisieren heißt doch nicht, mit der Firma auswandern. Globalisierung heißt für mich, ein tolles Unternehmen in Deutschland haben und mit Produkten „Made in Germany“ nach draußen gehen. Wenn eine Firma schon Arbeitsplätze im Ausland schafft, dann sollen diese die Arbeitsplätze in Deutschland stabilisieren helfen und nicht vernichten.
Organisieren Sie Ihre Firma auch anders?
Ich vermeide jede Abhängigkeit bei Lieferanten, Banken, Kunden und Mitarbeitern. Keine Kredite, sondern 100 Prozent Eigenkapital. Ich habe eine Bankverbindung, das reicht. Keine Streuung, denn man kann nur in einem Bereich richtig gut sein. Kein Auslagern von Arbeiten, Trigema hat 78 Prozent Wertschöpfung. Ich habe mich noch nie darum gekümmert, was in drei Jahren sein wird. Wenn ich versuche, jeden Tag die kleinen Probleme zu lösen, habe ich auch keine großen. Die großen Probleme waren alle mal klein und sind die, die man nicht löste, als sie klein waren.
Ist die Geiz-ist-geil-Haltung vieler Verbraucher an Ihnen spurlos vorbeigegangen?
Natürlich nicht. Das Erste, woran ein Konsument spart, sind Textilien. Das gilt für Frauen wie für Männer. Die New Economy ist für die Geiz-Methode verantwortlich. Die ist nur möglich geworden, weil größenwahnsinnige Manager die Mitmenschen abgezockt haben. Wenn diese keinen Arbeitsplatz mehr hatten oder billige Arbeitskräfte waren, fingen sie an, billig zu kaufen.
Wie verdienen Sie unter diesen Umständen Geld?
Meine Aufgabe als Unternehmer in einem Hochlohnland ist keine Massenproduktion, da ist China mir überlegen. Ich muss schauen, was die Chinesen nicht können. Ich kann binnen weniger Tage liefern. Das geht schon wegen der Transportwege aus Asien nicht. Meine Aufgabe ist es, innovative Produkte herzustellen und schnell und flexibel zu sein. Unsere Industriekunden zahlen unsere Preise gern, denn sie wissen, sie bekommen dafür beste Qualität.
Fallen in Deutschland Arbeitsplätze den Sozialabgaben zum Opfer?
Da ist theoretisch etwas dran. Nur, je mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, desto mehr verteilen sich die Abgaben auf wenige Schultern. Wir brauchen also Arbeitsplätze, damit die Lasten nicht auf wenigen ruhen. Ein Unternehmer wie ich braucht auch Kunden in Deutschland, die Geld haben, um meine Waren zu kaufen. Sich nur auf den Export zu verlassen, ist gefährlich.
Was tun Sie selbst für die Arbeitsplätze?
Vom Garn bis zum Shirt produzieren wir hier. Ich habe nur Hochlohnlieferanten. Acht von zehn Zulieferern kommen aus Deutschland, die anderen aus Europa. Ich zahle ihnen faire Preise. Denn beide Seiten müssen leben können, erst dann sind wir echte Partner.
Gilt das auch für Ihre Arbeitnehmer?
Selbstverständlich. Gerechtigkeit bei den Löhnen ist oberstes Gebot. Sie können nicht volle Leistung verlangen und um den Lohn knausern. Kinder meiner Mitarbeiter bekommen eine Arbeitsgarantie. Das funktioniert hervorragend. Wenn ein Azubi Schwierigkeiten macht, sind die Eltern die Ersten, die sich dafür schämen und etwas unternehmen. Da sind wir bei der persönlichen Verantwortung.
Was halten Sie von der persönlichen Haftung von Chefs?
Das ist das A und O. So lange wir Leute entscheiden lassen und mit großen Gehältern ausstatten und sie nicht in die Verantwortung nehmen, brauchen wir über Krisen nicht zu reden. Wenn einer Erfolg hat, kann er verdienen, wie er will. Aber wenn er keinen Erfolg hat, muss er mit seinen Bezügen haften. Wenn das nicht kommt, sehe ich keine Chance. Wenn Trigema jemals Probleme bekommt, gibt es nur einen Schuldigen –das bin ich.
Warum haben andere Wirtschaftslenker kein Problem beim Nehmen?
Das liegt nicht an den Wirtschaftslenkern, sondern an den Aufsichtsräten, die ihnen entsprechende Verträge gegeben haben. Wenn Banker um Boni prozessieren, können sie das nur aufgrund entsprechender Verträge. Dafür sind die Aufsichtsräte verantwortlich und dann müssen sie dafür haften.
Was sollte Deutschland aus der Wirtschaftskrise lernen?
Wir brauchen eine Leistungssteuer. Die Einkommenssteuer sollte auf 60 Prozent steigen. Wer die persönliche Haftung übernimmt, bekommt die Hälfte erlassen. Dann haben wir die 30 Prozent für die, die Leistung bringen und für die, die abzocken, die 60 Prozent. Und wer einen anderen Betrieb übernehmen will, sollte mindestens 50 Prozent Eigenkapital mitbringen.
Sehen wir weiter den Werbespot mit dem Affen oder bald einen anderen von Trigema?
Warum etwas ändern? Es geht um Wiedererkennung. Drei bis viermal im Monat läuft er vor der Tagesschau. Dafür gebe ich etwa zwei Millionen Euro im Jahr aus.
das Gespräch führte Katlen Trautmann