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Sächsische Zeitung, Dezember 2009

Kein Boom bei Biokraftstoffen

Leipzig. Der große Boom bei Biokraftstoffen ist ausgeblieben. Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen plätschern in deutlich geringeren Mengen in deutschen Tanks, als Hersteller es noch vor wenigen Jahren hofften. Der Weg zum Zapfhahn wird immer weiter, denn Tankstellen für Biobenzin schließen reihenweise.

Verbände machen die alte und neue Bundesregierung für die Bauchlandung verantwortlich. Dieter Bockey vom Branchenverband Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel kritisiert, die Bundesregierung habe sich bislang „nur zaghaft mit dem Thema Biokraftstoffe befasst“. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Helmut Lamp, ebenfalls Lobbyist, rügt gar, die Regierung habe „auf dem Biotreibstoffmarkt ein Trümmerfeld hinterlassen“.

Neue EU-Regelungen machen nun Wege frei, freilich andere als erwartet. Autos mit Pflanzenkraftstoff im Tank bleiben Exoten, denn Zapfsäulen für reine Biokraftstoffe findet man kaum. Fahrzeughersteller und Tankstellenbetreiber schieben sich nach dem Henne-Ei-Prinzip gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Gäbe es mehr solcher Autos, würden mehr Tankstellen bereitgestellt und umgedreht.

Fakt ist: Bot noch im vergangenen Jahr jede achte öffentliche Tankstelle Biodiesel an, nämlich 1900 von 15000, sind es heute wenige Hundert bundesweit. Bei deutschlandweit 250 Bioethanoltankstellen sieht die Lage ähnlich aus. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BdBe) geht von einer niedrigen fünfstelligen Zahl ethanolbetriebener Autos und 8000 Tonnen verkauften Reinkraftstoffes aus. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Neue Wagen mit reinem Dieselantrieb werden laut Verband AGQM seit 2004 nicht mehr zugelassen. Nur ein Prozent der deutschen Ethanol-Jahresproduktion wird rein abgesetzt. bei Diesel ist es etwas mehr. Verbraucher werden Biokraftstoffe künftig also als Beimischungen finden.

Ein fiskalischer Schlingerkurs dämpfte die Begeisterung der durch Subventionen angelockten Hersteller für Pflanzentreibstoffe. Bis 2004 hat Deutschland als einziges EU-Land bei Diesel auf Steuern verzichtet. Das änderte sich ab 2006, und seit 2007 ist die Produktion rückläufig. Acht Hersteller meldeten dieses Jahr Insolvenz an. Die Überlebenden halten sich zurück.

Wurden die Biodieselkapazitäten vergangenes Jahr zu 60 Prozent ausgenutzt, sollen es nun weniger werden. Alkohol wurde schon immer besteuert. Doch laut Dietrich Klein vom BdBe setzt sich Bioethanol langsamer durch als erwartet. Der Widerstand der Mineralölhersteller gegen den Öko-Alkohol ist der schwerste Bremsklotz.

Die Produktionskapazitäten von 850000 Tonnen übersteigen die hergestellte Menge von 460000 Tonnen im Jahr 2008 deutlich. Engpässe drohen ohnehin nicht: Deutschland importiert ungeachtet der Überkapazitäten.

Der Leipziger Biokraftstoffhersteller Verbio AG taumelte im Strudel mit. Vor zwei Jahren musste das Unternehmen eine Bioethanolanlage zeitweise stilllegen. Inzwischen läuft sie wieder. Vorstandschef Claus Sauter sagt, dagegen sei „der Biodieselmarkt praktisch tot“. Bei Mineralölpreisen, die gefallen sind „wie ein Stein“, habe man Diesel von heute auf morgen nicht mehr absetzen können.

Bei einem Neunmonatsverlust von 10,4 Millionen Euro verabschiedet Verbio das Geschäftsjahr in roten Zahlen. Künftig setzen die Leipziger zusätzlich auf Biogas aus Abfallprodukten der Ethanolherstellung. Nach jahrelangem Herumdümpeln auf Pennystock-Niveau legte die Verbio-Aktie ab September wie aus heiterem Himmel auf das Dreifache zu.

Das liegt auch an Neuigkeiten aus Brüssel. Neue EU-Reglungen schreiben einen Anteil erneuerbarer Energien von zehn Prozent im Verkehr vor. Spätestens 2020 soll es so weit sein. Dietrich Klein freut es: „Der europäische Markt ist ausschlaggebend, nicht der deutsche“, sagt er. Auch Claus Sauter sagt: „Mit den Regeln herrscht Klarheit. Das hilft der Industrie.“

www.agqm-biodiesel.de

www.verbio.de

 

Katlen Trautmann • Tel.: 0351 31 777 81 • Fax: 3222 375 4 357 • Funk: 0171 26 66 354 • Email: katlen.trautmann@t-online.de

 
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