Fenster schließen
  Drucken
 

SZ vom 19.04.2004

SZ 19.April 2004

Das Kraftwerk für daheim

Dresdner Fraunhofer-Institut entwickelt einen neuartigen Typ Brennstoffzellen, der nicht auf den Betrieb mit reinem Wasserstoff setzt

Leise gluckernd pumpt ein Aggregat Erdöl in einen Tank der neuartigen Waschmaschine. Mittels einer Brennstoffzelle verbrennt diese das Öl zu Strom sowie Wärme und wäscht so energiesparend. Nach gleichem Prinzip arbeiten Geschirrspüler, Heizung und das hauseigene Stromaggregat. Strom von außerhalb wird nur in Spitzenzeiten gezapft.
Eine Technologie aus Sachsen könnte dieses Szenario Wirklichkeit werden lassen. Der Dresdner Physiker Peter Otschik vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologie und Sinterwerkstoffe entwickelte mit Kollegen einen neuartigen Typ Brennstoffzellen. Seit der Wende forschten sie an der ausgefeilten Lösung. Während herkömmliche Brennstoffzellen Wasserstoff als Brennmittel nutzen, wählen die Dresdner einen anderen Ansatz. Sie speisen die Zellen mit Erdöl oder -gas, also fossilen Brennstoffen. Der Vorteil: Öl und Gas sind problemlos zu liefern und zu nutzen.

Wirkungsgrad bei 90 Prozent

Das sächsische Verfahren könnte die Lücke im Übergang von der Wärme-Kraft-Kopplung, wie sie in Kraftwerken angewendet wird, und der Technologie mit reinem Wasserstoff schließen. Das Herzstück der Dresdner Neuerung bildet eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle (SOFC: Solid Oxide Fuel Cell - Festoxid-Brennstoffzelle) von etwa 14 mal 14 Zentimetern Größe. Bei 850 Grad verbrennen Erdöl oder -gas darin zu Wasser und Kohlendioxid. „Zu je etwa 45 Prozent liefert der Prozess Strom und Wärme. Der Wirkungsgrad liegt bei etwa 90 Prozent“, sagt Otschik. Zum Vergleich:ein konventionelles Wärmekraftwerk bietet einen Wirkungsgrad von bis zu 50 Prozent.
Die vielversprechende Ausbeute der SOFC ist möglich, weil die während des Verbrennens entstehende Wärme gespeichert und genutzt wird - etwa zum Heizen. Kraftwerke hingegen geben die Wärme an die Umwelt ab. Diese ist für die weitere Nutzung verloren.
Beim Brennen pustet die SOFC umweltschädliches Kohlendioxid in die Luft - genau wie ein Heizkraftwerk. Dennoch arbeitet die Öl-betriebene Zelle ökologischer. Denn wegen des höheren Wirkungsgrades der SOFC muss in ihr weniger Rohstoff verbrannt werden, um die gleiche Menge Energie wie im Heizkraftwerk zu erzeugen. „Unser Verfahren setzt fossile Brennstoffe sparsam ein“, sagt Otschik.
Die Dresdner Forscher entwickeln derzeit mit der Firma Webasto eine Batterie-unabhängige Stromquelle für Autos („Auxiliary Power Unit“). Damit können in Luxuswagen allerlei technische Spielereien betrieben werden - ohne die Batterie zu belasten. Rund 2,7 Millionen Euro gibt Webasto dafür aus.

Umkehrreaktion für den Flug ins All

Verbindet man 60 Einzelzellen miteinander zu einem Stapel, „Stack“ genannt, produziert dieses Modul ein Kilowatt Strom und anderthalb Kilowatt Wärme. Die Menge an Strom genügt, um ein Einfamilienhaus zu versorgen. Die Wärme reicht nur dann, wenn das Haus hervorragend gedämmt ist. Für Mehrfamilienhäuser werden einfach mehrere Module verkettet und so ihre Leistung vervielfacht.
Wenn im Sommer die Förderung für die Dresdner Entwicklung ausläuft, soll das Modul mit einer Leistung von einem Kilowatt Strom technisch ausgereift sein.
Danach könnte dem Vorhaben das Feuer ausgehen, fürchten die Dresdner. Es fehlt am Geld, auch bei den Partnern. „Wir suchen angestrengt Sponsoren“, berichtet Otschik. Geplant ist eine Testphase zur Energieversorgung in einem Privathaus über zweieinhalb Jahre. Bei Erfolg könnte das Minikraftwerk für Privatleute ab 2007 in Produktion gehen. 3000 bis 4000 Euro kostet die Einheit anfangs voraussichtlich. Bei Stückzahlen über 1000 Anlagen pro Jahr könnte der Preis auf 1000 Euro sinken, rechnen die Forscher.
Dresdner Forschungsergebnisse fliegen vielleicht demnächst auch ins All: Zusammen mit der europäischen Weltraumagentur Esa arbeiten die Wissenschaftler an einem Verfahren, um aus Kohlendioxid Sauerstoff zu gewinnen - gewissermaßen die Umkehrreaktion der Abläufe in der neuen Brennstoffzelle. Wenn der erste Mensch zum Mars fliegt, könnte diese Technologie helfen, das Problem der Versorgung mit Sauerstoff zu lösen.
Vorerst bleiben die Dresdner mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität. „Wir versuchen, unsere Ergebnisse in allen Stadien der Forschung auf den Markt zu bringen“, sagt Otschik. Mit der Firma Kerafol vermarkten sie bereits Spezialzellen für verschiedene Anwendungen.

KATLEN TRAUTMANN

 

Katlen Trautmann • Tel.: 0351 31 777 81 • Fax: 3222 375 4 357 • Funk: 0171 26 66 354 • Email: katlen.trautmann@t-online.de

 
Fenster schließen
Drucken