Eine Ahnung von Tuten und Blasen
Ehrwürdigen Blasinstrumenten wie Fagott oder Waldhorn lassen sich künftig leichter Töne entlocken als bisher. Dank eines neuartig geformten S-Bogens für das Fagott benötigen Musiker beim Spielen weniger Lungenkraft. Das neue Mundstück besitzt statt zweier Kurven nur noch eine. Die Reibung kann damit um kapp ein Drittel gesenkt werden und die Musiker benötigen weniger Puste.
Der S- Bogen hat die Aufgabe, die Luft vom Mundstück in den Instrumentenkörper zu leiten. Auf ihrem Weg durch den röhrenförmigen Bogen nimmt die Luft zwei S-Kurven – daher der Name. Messungen belegen, dass beim Strom der Luft durch das Doppel-S hohe Reibungskräfte auftreten.
Es war kein Musiker, sondern ein Fachmann für Thermofluidmechanik, der die Arbeiten am Knick- bzw. Knackpunkt anschob. Der neue Bogen ist das Resultat der Arbeit von Professor Roger Grundmann von der Technischen Universität Dresden. Die Idee für sein Projekt kam dem Fachmann nach Erwerb eines Fagotts für den privaten Gebrauch. Grundmann: „Zwei S-Bögen waren dem Paket der Hersteller beigelegt. Einer funktionierte tadellos, der zweite erwies sich als schwer spielbar.“ Der Hobby-Musiker untersuchte das widerspenstige Teil. Es wies neben den zwei vorschriftsmäßigen Kurven eine weitere in der dritten Dimension auf. Kurzerhand bog der Wissenschaftler es wieder gerade und konnte tadellos damit spielen. Zusammen mit Herstellern von Musikinstrumenten und Fachverbänden entwickelte er einen neuen Prüfstand zur Messung von Reibungswerten in Musikinstrumenten. „Damit lassen sich subjektive Empfindungen für die Qualität eines Instrumentes nachvollziehbar belegen“, so Grundmann.
Musiker der Staatskapelle Dresden und des Rundfunksinfonieorchesters des Mitteldeutschen Rundfunks haben nach Angaben Grundmanns den neuen Bogen bereits in Dienst genommen und sind damit hochzufrieden. Das nationale Patent ist angemeldet, das internationale in Vorbereitung. Der Wissenschaftler will das Tuten und Blasen weiter optimieren, die Deutsche Forschungsgesellschaft fördert das Projekt. Grundmann ist sicher, dass sich auch Waldhorn und Flöte klanglich verbessern lassen.
Katlen Trautmann
erschienen in der Süddeutschen Zeitung, Wissen,
7. Oktober 2004
Katlen Trautmann