
Beinahe unbemerkt hat Chemnitz seit der Wende das Image der "grauen Stadt" abgestreift. Die "Sächsische Zeitung am Sonntag" sprach mit Oberbürgermeister Peter Seifert (SPD), worauf er stolz ist, was Bestand haben und wohin er die Stadt führen wird.
Chemnitz hat im Vergleich zu Leipzig oder Dresden nicht immer einen leichten Stand. Ist Chemnitz das Aschenbrödel im Trio der großen sächsischen Hauptsädte?
"Auf keinen Fall. Der Blick auf die Wirtschaftzahlen zeigt: Chemnitz befindet sich beim Wirtschaftwachstum auf Platz 2 hinter Dresden, aber weit vor Leipzig. Und die Stadt hat nach der Wende eine wirtschaftliche Entwicklung genommen, nach der andere Kommunen sich die Finger lecken würden. Der tatsächliche Unterschied zu anderen Großstädten im Freistaat liegt vor allem darin, dass die Förderung des Standortes Chemnitz im Vergleich quasi nicht gegeben war."
Äußern Sie Kritik Richtung der Landeshauptstadt?
"Sehen Sie, es gibt bis zur Stunde keine einzige Ansiedlung in Chemnitz, die durch die Wirtschaftsförderung Sachsen oder das Sächsische Wirtschaftsministerium aquiriert worden wäre. Was besteht, haben wir allein auf die Beine gestellt. Täglich kommen bis zu 50.000 Pendler aus dem Umland und dem Erzgebirge in die Stadt, um hier zu arbeiten. Zugleich hat Chemnitz eine Wissenschafts- und Kulturlandlandschaft, die sich bundesweit sehen lassen kann. Im übrigen gilt: Man beißt nicht in die Hand, von der man etwas will."
Wie kann wirksame Wirtschaftsförderung Ost aussehen?
"Ich halte nichts von dieser Dohnanyj-Diskussion oder Sonderwirtschaftszonen. Förderung der Innovationskraft der Firmen ist für mich die beste Unterstützung der Wirtschaft. Ich rechne damit, dass es im kommenden Jahr wieder mehr Arbeitsplätze gibt. Das Wachstum funktioniert aber nur, wenn eine Stadt Lebensqualität bietet. Das gibt es in Chemnitz. Ich erinnere an das Chemnitzer Opernhaus, das sogar Wagner-Fans aus Bayreuth anzieht. Wir bauen das Museum Gunzenhauser, das Kulturkaufhaus Tietz wird in diesem Jahr öffnen und wir bemühen uns um das Archäologische Museum.."
Glauben Sie, dass das Archäologische Museum tatsächlich kommt?
"Ja. Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt steht im Wort. Ich glaube nicht, dass er seine öffentliche Zusage einfach zurücknimmt."
Vor welchen Probleme steht Chemnitz ?
"Die Probleme der Infrastruktur sind entweder geklärt oder angeschoben. Das betrifft vor allem den Bau der Innenstadt oder den Rückbau von Wohnungen. Es kommt jetzt darauf an, sich in den Zeiten kommender knapper Kassen darauf einzustellen, das hart erarbeitete Niveau zu halten. Chemnitz kann sich kein Mittelmaß leisten."
Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab kommenden Jahr nach Hartz IV bringt weitere Lasten, fürchten viele Kommunen. Worauf stellt Chemnitz sich ein?
"Der zu erwartende Verlust an Kaufkraft kann zum ernsten Problem für den Einzelhandel werden. Die Kommunen müssen durch mehr Mittel die Chance bekommen, für die Betroffenen Arbeit zu organisieren. Ansonsten geht das schief."
Im neuen Stadtrat sitzen neben der PDS als stärkster Fraktion auch fünf Republikaner. Wie wollen Sie mit diesen politisch umgehen?
"Das Ergebnis hat mich sehr überrascht. Viele Menschen meinten später, sie seien nicht zur Wahl gegangen, weil sie glauben, , in Chemnitz laufe alles gut. Das war offenbar ein Fehler. Mit den Republikanern setze ich mich nicht an einen Tisch. Deren Wähler nehme ich aber ernst. Ich setze auf die Demokraten im Stadtrat, werde mit anderen Fraktionen zusammenarbeiten. "
Der Blick auf Sachsens SPD - Ihre Partei - dürfte Ihnen in diesen Tagen kaum Mut machen. Wie sehen Sie die Lage des Landesverbandes?
"Die Stärke der SPD spiegelt den Anspruch einer Volkspartei keineswegs wider. Die Personalquerelen sind alles andere als hilfreich. Man muss künftig zu allen relevanten Themen einen Standpunkt äußern, nichts auslassen. Für die kommenden Landtagswahlen hoffe ich trotzdem auf ein zweistelliges Ergebnis. Für die Landtagswahlen 2009 muss die Beteiligung an der Regierung das Ziel sein."
Die Fragen stellten Brigitte Pfüller und Katlen Trautmann