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Sächsische Zeitung, 19.Dezember 2006

„Sachsen steht heute gut da“<

Alle reden vom Aufschwung in Deutschland. Ist es ein Strohfeuer ?

Wir sind unbestritten im Aufschwung. Nach vier, fünf Jahren mit sehr mageren Wachstumsraten ist er überfällig. Dieses Jahr rechnen wir mit einem realen Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,5 Prozent.

Ist das viel oder wenig?

Verglichen mit den letzten fünf Jahren, als die deutsche Wirtschaft insgesamt nur um 2,4 Prozent gewachsen ist, ist es ein sichtbarer Aufschwung. Im Vergleich zur Weltwirtschaft ist es nicht besonders viel. In jenen letzten fünf Jahren konnte Frankreich mit einem Plus von 8,3 Prozent, Großbritannien mit 12,6 Prozent und selbst Dänemark mit 7, 8 Prozent zulegen.

Warum sind Sie sich des Aufschwungs so sicher?

Wir Ökonomen bestimmen das anhand von Indikatoren, vorauseilende und nachziehende. Seit dem Jahr 2003 gab es echte Vorboten. Die Lagerhaltung ist ein ausgezeichneter Indikator. Firmen scheinen zu spüren, wann ein Aufschwung kommt und bevorraten sich. Das Entscheidende sind für mich die Aktienkurse. Steigen sie über zwei, drei Quartale, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Aufschwungs.

Mit Blick auf die Mehrwertsteuer fürchten Fachleute einen Knick. Eine berechtigte Sorge?

Eine kleine Bremse ist sicherlich drin, aber ich glaube nicht, dass Verkäufer diese Entwicklung einfach hinnehmen. Manche erhöhen sicherlich jetzt schon die Preise, um später Rabatte geben zu können. Wichtig sind genügend Aufträge für die Industrie – beispielsweise im Ernährungsgewerbe, Fahrzeugbau oder in der Elektronik - und nicht, ob ich in diesem oder im nächsten Jahr einen Kühlschrank kaufe.

Der Konjunktur geht es gut und schon gibt es Streit: Löhne kräftig oder sachte steigen lassen. Was meinen Sie?

Die Lohnentwicklung ist für die Konjunktur relativ belanglos. Ich plädiere für marktgerechte, also moderate Lohnerhöhungen. Die Kehrseite, der „kräftige Schluck aus der Pulle“ heißt: marginale Arbeitsplätze fallen weg. Ich bin sicher, die Zurückhaltung der vergangenen Jahre hat viele Stellen gerettet.

Und wie sehen Sie die Entwicklung im Osten, wird er vom Aufschwung profitieren?

Selbstverständlich. Die Ostdeutschen sind häufig zu pessimistisch. Als Amerikaner bin ich ohnehin optimistischer, aber auch die Ostdeutschen haben echten Grund dazu. Die Wiedervereinigung hat zur Verschiebung der Wirtschaftsstruktur geführt, weg von der Großindustrie hin zu Dienstleistungen. Seit 1990 wurden 1,2 Billionen Euro in Ostdeutschland investiert – möglicherweise zu viel in Häuser und zu wenig in Fabriken. Aber Sachsen steht dadurch heute gut da. Die Produktivität in den neu errichteten Betrieben liegt höher als im Westen. Man vergisst auch oft, wie günstig Ostdeutschland mit Blick auf die neuen Märkte im Osten liegt. Die neuen EU-Bürger wollen auch kaufen. Wachstum wird es eher in Polen geben als in Frankreich!

Gespräch: Katlen Trautmann

 

Katlen Trautmann • Tel.: 0351 31 777 81 • Fax: 3222 375 4 357 • Funk: 0171 26 66 354 • Email: katlen.trautmann@t-online.de

 
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