Sächsische Zeitung, 15. März 2007
Immer im Rhythmus
Von Katlen Trautmann
Tanzen schult den Körper von den Fingerspitzen bis zu den Zehen
Ob Walzer, Rumba, oder Jazz-Dance: „Tanzen ist aus meiner Sicht der beste Sport für Koordination und Stabilität“, sagt Dr. Liane Simmel. Erfahrung spricht aus den Worten – die Ärztin studierte Tanz unter anderem am Cunningham Studio in New York, leitet das Institut für Tanzmedizin „FitforDance“ in München und unterrichtet seit fast sieben Jahren an der Palucca-Schule Dresden angehende Tanzpädagogen. „Tanzen schult den Körper von den Fingerspitzen bis zu den Zehen“, schwärmt sie. Das Gefühl für den eigenen Körper werde intensiver. Die Eigenwahrnehmung wachse. Bei anderen Sportarten stehen solche Aspekte eher im Hintergrund. Während es beispielsweise beim Laufen oder Schwimmen auch um Wettbewerb geht, steht beim Tanzen das „Ich“ oder das „Wir“ im Zentrum. „Wie drücke ich mich aus, wie komme ich an, heißen Fragen des Tanzes“, beschreibt es Liane Simmel.
Menschen jeden Alters profitieren vom rhythmischen Bewegen – vorausgesetzt, sie achten auf einige Grundlagen. Aufwärmen und Dehnen sowie Abwärmen sollen stets den Rahmen bilden. Bei Untrainierten brauchen Kreislauf, Stoffwechsel, Sehnen und Muskeln etwas länger zum Aktivieren. Beim Tanz erworbene Flexibilität, Koordination und Schnellkraft machen Bewegungen geschmeidiger und schützen – wichtig im Alter – vor gefährlichen Stürzen. Tanzen kann bis zu einem gewissen Grad auch vor Demenz bewahren. Denn jeder neue Schritt schult das Gedächtnis. Auch der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen.
Beweglich in den Hüften
Stabilität im Körper ist Basis für Gesellschaftstanz und Latein. „Tänzer trainieren deshalb oft zusätzlich Pilates oder klassisches Ballett“, fügt Simmel an. Bei Modern und Jazz-Dance stellt sich das anders dar. „Diese Formen werden aus der Körpermitte herausgetanzt. Daher geht es beim Training zuerst um das Stärken des Zentrums und den Erwerb von Technik“, erläutert die Tanzpädagogin.
Karibische Tänze wie Samba, Salsa und Co. Sorgen, in Maßen ausgeübt, für erstklassig bewegliche Hüften – ein Segen in Zeiten, in denen viele Menschen stundenlang sitzen. „Drehungen über die Hüftrotation sind stets unproblematischer als solche über die Knie“, hebt Simmel hervor.
Gegen moderne Formen des Tanzes ist wenig einzuwenden. Eine Ausnahme: „Breakdance auf der Straße halte ich für problematisch, vor allem bei untrainierten Jugendlichen“, warnt sie. Ohne Technik werden hier oft komplizierte Bewegungen auf dem Asphalt ausgeführt. „Mit zwölf Jahren steckt das der Körper noch weg, mit 18 kann es zu schweren Verletzungen kommen“, sagt die Tanzpädagogin. Generell gelte: Sei sportlich bevor du Breakdance machst.
Ein Ziel erreicht Tanz aber weniger gut: Fitness im kardio-vaskulären Sinn. „Choreographien weisen oft Wechsel von Passagen von sehr schnellen und ruhigeren Bewegungen auf. In Spitzen wird der Körper sehr gefordert, lange Zeiten kontinuierlicher Bewegung gibt es aber kaum“, erklärt Simmel. Zusätzliches Ausdauertraining sei empfehlenswert. Für Gesellschaftstanz, Latein oder Flamenco kommt man auf Dauer um den Kauf richtiger Tanzschuhe nicht herum. Spezialschuhe schützen die Kniegelenke. „Die Sohle bei Straßenschuhen oder Pumps klebt oft zu sehr am Boden. Drehungen können dadurch den Knien schaden“, erläutert Simmel. Damen sollten eine moderate Absatzhöhe (fünf bis sieben Zentimeter) wählen, sonst drohen schmerzende Spreizfüße.
Der Tanzlehrer Ihres Vertrauens sollte für seine Aufgabe ausgebildet sein. Der Beruf ist aber nicht geschützt. Experten trainieren nur Bewegungsabläufe, die der Körper verträgt. Für Kinder ist das besonders wichtig.
Tanz macht süchtig. Liane Simmel sagt: „Die meisten Tänzer können sich ein Leben ,ohne´ nicht mehr vorstellen.“
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